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Kratom in der Wissenschaft – Was Studien bisher zeigen (und wo Lücken sind) 🔬

Aktualisiert: 12. Juli

Kratom ist eine Pflanze mit langer Anwendungstradition – aber wissenschaftlich gesehen noch immer ein relativ unbeschriebenes Blatt. Während in Ländern wie Indonesien oder Thailand Erfahrungswissen seit Jahrhunderten existiert, beginnt die moderne Forschung erst langsam, die chemischen, pharmakologischen und gesellschaftlichen Dimensionen dieser Pflanze zu untersuchen. In diesem Beitrag werfen wir einen nüchternen Blick auf den aktuellen Stand der Kratomforschung.

Bspbild "Kratomlabor" ©kratomladen.at
Bspbild "Kratomlabor" ©kratomladen.at

🧬 1. Was steckt chemisch im Kratom?

Kratom enthält eine komplexe Mischung aus über 40 Alkaloiden, darunter:

Alkaloid

Wirkung / Relevanz

Mitragynin

Hauptalkaloid, wirkt auf μ-Opioidrezeptoren

7-Hydroxymitragynin

Potenter, schmerzstillend, stärker wirksam

Paynanthein

Muskelentspannend, weniger erforscht

Speciogynin

Möglicherweise beruhigend

Ajmalicin

Gefäßerweiternd (wie in der Schlangenwurzel)

Die Konzentration variiert je nach:

  • Sorte (Red, Green, White)

  • Herkunftsregion

  • Trocknung & Fermentation

Hinweis: Diese Stoffe wirken nicht isoliert, sondern in Kombination – was die Wirkung komplex und individuell macht.

🧪 2. Was weiß die Forschung über die Wirkung auf den Menschen?

Bestätigt durch Labor- und Tierversuche:

  • Mitragynin bindet an Opioidrezeptoren, allerdings mit geringerem Atemdepressionsrisiko als klassische Opiate

  • Kratom kann in bestimmten Dosen analgetisch, antriebssteigernd oder sedierend wirken – abhängig von Dosis, Sorte und Person

  • 7-HMG ist im Kratom nur in Spuren enthalten, aber stark wirksam

  • Einige Alkaloide wirken auch auf Serotonin- und Dopaminrezeptoren

Unklar oder noch nicht ausreichend untersucht:

  • Langzeitwirkung auf Gehirn, Leber, Herz-Kreislauf-System

  • Wechselwirkungen mit Medikamenten

  • psychische Abhängigkeitspotenziale (physisch vs. psychisch)

  • Wirkung bei Jugendlichen, Älteren oder Schwangeren

📉 3. Was sind die potenziellen Risiken laut Studien?

Laut medizinischer Fachliteratur (u. a. FDA, WHO, EMCDDA):

Risiko

Bewertung

Abhängigkeitspotenzial

gering-mittel (v. a. bei Hochdosen & täglichem Konsum)

Lebertoxizität

Einzelfälle berichtet, aber unklarer Zusammenhang

Wechselwirkungen mit Medikamenten

möglich, v. a. mit Beruhigungsmitteln oder Alkohol

Entzugssymptome

milder als bei Opiaten, aber vorhanden

Verunreinigte Produkte

inoffizieller Markt oft unsicher

⚠️ Besonders problematisch:

  • Kratom-Extrakte mit extrem hohen 7-HMG-Werten

  • Mischprodukte (z. B. mit Benzodiazepinen oder Dextromethorphan)

  • Unkontrollierter Langzeitgebrauch bei Vorerkrankungen

📚 4. Wo steht die Forschung international?

Region

Forschungsstand

USA

mehrere Studien zur Wirkung & Abhängigkeit; v. a. Florida, Utah, Columbia University

Thailand

intensive Forschung nach Legalisierung 2021

Malaysia

Studien zur Bevölkerung & traditionellen Nutzung

EU / Deutschland

kaum staatlich geförderte Studien; einzelne Arbeiten an Unis in Graz, Berlin, Wien

Indonesien

kaum publizierte Forschung, aber großes Erfahrungswissen

Die WHO hat 2021 eine umfassende Bewertung vorgenommen und kam zum Ergebnis:

„Kratom weist kein signifikantes Risiko für internationalen Missbrauch auf und sollte nicht international kontrolliert werden.“(→ WHO Critical Review Report 2021)

🔍 5. Die Forschungslage in Europa – eine Leerstelle

Trotz wachsendem Interesse gibt es in Europa:

  • keine großen klinischen Studien

  • keine offizielle Zulassung

  • wenig Fördergelder für Erforschung ethnobotanischer Pflanzen

Gründe dafür:

  • rechtliche Unsicherheit

  • fehlender industrieller Anreiz (kein Patent möglich)

  • Stigmatisierung durch mediale Gleichsetzung mit „Legal Highs“

Einige Wissenschaftler:innen fordern deshalb:

Mehr Freiraum für objektive Forschung, statt vorschneller Verbotsdiskussion.

🧭 6. Was die Forschung (noch) nicht beantworten kann

Trotz wachsender Datenbasis bleiben viele Fragen offen:

Offene Frage

Warum unklar?

Wie sicher ist Kratom bei Langzeitanwendung?

Keine kontrollierten Langzeitstudien

Ist Mitragynin therapeutisch nutzbar?

Kein zugelassenes Medikament

Welche Rolle spielen Nebenalkaloide?

Kaum isoliert untersucht

Wie unterscheiden sich verschiedene Sorten chemisch?

Keine EU-Normen, keine Standardisierung

Forschung braucht hier:

  • mehr fundierte Ethnobotanik

  • Kooperation mit traditionellen Anbaugebieten

  • rechtlich sicheren Rahmen für Studien am Menschen

🧘‍♂️ 7. Ethnobotanische Forschung – das fehlende Bindeglied

Die meisten wissenschaftlichen Studien fokussieren auf:

  • isolierte Alkaloide

  • mögliche Schäden

  • Suchtpotenzial

Was oft fehlt:

  • das kulturelle Verständnis für Anwendung, Dosis, Anlass, Kombination

  • die Perspektive der Nutzer:innen in traditionellen Kontexten

  • die Wirkung im Alltag statt im Labor

Ein umfassendes Bild entsteht nur, wenn moderne Pharmakologie & traditionelle Erfahrung zusammengebracht werden.

⚠️ Rechtlicher Hinweis

Dieser Artikel dient ausschließlich der wissenschaftsjournalistischen Aufklärung.Kratom ist in der Europäischen Union nicht als Arznei, Nahrung oder Ergänzung zugelassen.Die dargestellten Informationen beruhen auf veröffentlichten Studien, WHO-Analysen und Erfahrungsberichtenaus Ländern mit legaler Nutzung.

📚 Quellen & wissenschaftliche Literatur

  1. Cinosi, E. et al. (2015). Kratom (Mitragyna speciosa): Chemistry, pharmacology, and toxicology.PubMed Link

  2. Grundmann, O. (2017). Survey of Kratom Users: Patterns and Health Impact.→ [Drug and Alcohol Dependence]

  3. World Health Organization (2021). Critical Review Report on Kratom.→ [https://www.who.int/publications/i/item/kratom-2021]

  4. EMCDDA (2022). Kratom Topic Overview – Trends and Health Risks.→ [https://www.emcdda.europa.eu]

  5. Boyer, E.W. et al. (2007). Self-treatment of opioid withdrawal with a botanical product.→ [Addiction Journal]

  6. Erowid Kratom Vault – Sammlung nutzerbasierter Berichte→ [https://www.erowid.org/plants/kratom/kratom.shtml]

 
 
 

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